Wien - Es ist nunmehr schon seit Dekaden eine interessante Diskrepanz im Wirken von Bobby McFerrin zu erkennen: Er hat keine Experimentalmühe gescheut, um zum autonomen Virtuosen zu werden, der sich mindestens dreiteilen kann und niemanden braucht. Keinen Bassisten (die tiefen Linien singt McFerrin selbst), keinen Schlagzeuger (auch durch Brustklopf-Technik vermag er die Illusion von Schlagwerk zu erzeugen), also keine Band, die ihm Begleitarbeit abnehmen könnte.

Auf der anderen Seite vergeht kein Solokonzert, bei dem er sich nicht mit pädagogischem Charme ein Geborgenheitgefühl herbei- inszeniert, indem er das Publikum zu Amateurchören knetet und auch einzelne "Publikumsopfer" sucht, um mit ihnen Szenen lustigen Dilettierens zu kreieren. Das war alles nun im Konzerthaus beim Jazzfest Wien auch der Fall und sehr sympathisch anzusehen.

Ob einsam oder mit Publikum, es bliebt da ein Problem: Obwohl McFerrin seine Solokunst als spontane zelebriert, gekonnt und musikalisch die Illusion von Mehrstimmigkeit zu erwecken versteht, seine Arbeit bleibt hermetisch und voller Klischees. Eigentlich wünscht man sich vom Könner, dass er endlich ein paar gleichwertige Instrumentalisten um sich schart, um abseits der vokalen Zirkusnummern einen für ihn neuen Zugang zum Repertoire zu erproben.

Am globalen Lagerfeuer

McFerrins Stilistik ist schließlich längst auch ein Käfig aus Selbstzitaten; und - wie jetzt - einen Chor mitgebracht zu haben, machte den Käfig nicht offener. McFerrin klingt mit dem gediegenen Jazzchor Freiburg, wie er eben klingt. Er improvisiert ein bisschen mit, baut Pointen ein. Seine mit Fantasiesprache arbeitende Weltmusik wirkt in dieser Chor/Solist-Besetzung jedoch vermehrt als üppiger Kitsch am Lagerfeuer der globalen Verbrüderung - ohne besondere Musiksubstanz.

Lieb und witzig ist das natürlich: Wenn McFerrin den Chor spontan fragt, ob er I Can See Clearly Now kennt, und ihn dann dazu bringt, den Song verlegen zu probieren, ist das hübsches Improvisationstheater, das an eine chortherapeutische Lockerungsübung im Rahmen eines Musikkabaretts erinnert. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2010)