Was machen Sie zuerst, wenn Sie ein Hotelzimmer beziehen? Kurzes Probeliegen, um über ein zu weiches oder zu hartes Bett zu mosern? Schauen, wie viel Stricherl das W-LAN hergibt? Sofort Seife und Shampoo einpacken? Ich gehe immer gleich auf die Suche nach einer Minibar. Nicht, dass ich sie bräuchte. Aber zu wissen, dass es eine eiserne Reserve gibt, ist irgendwie beruhigend. Auch wenn die Preise häufig unverschämt sind.
Im Insektenhotel – die Bezeichnung ist eigentlich kindisch, aber ich mag sie – gehört die Verpflegung zum All-inclusive-Paket. Die Tiere, die dort ihre Nachkommen einchecken, sorgen auch für deren Verpflegung. Bei uns im Garten sind es derzeit vor allem Mauerbienen, die die Brutröhren stürmen. Kaum hatten wir am Wochenende ein zusätzliches Insektenhotel montiert, kamen auch schon die ersten Gäste angeschwirrt. Konkret handelte es sich um Gehörnte Mauerbienen (Osmia cornuta). Das sind Wildbienen, die jedes Jahr zu den ersten Frühlingsfliegern gehören.
Verwechslung mit Hummeln
Weil Honigbienen mit ihren hell- und dunkelbraun gestreiften Köpern unsere Vorstellung von Bienen beherrschen, werden Mauerbienen manchmal fälschlicherweise als kleine Hummeln wahrgenommen. In Wahrheit sind es Solitärbienen der beiden nahe verwandten Gattungen Osmia und Hoplitis. Gehörnte Mauerbienen gehören zu meinen Lieblingen. Ihre Körper sind tiefschwarz, der Hinterleib trägt eine auffällige fuchsrote Behaarung. Weibchen haben zusätzlich zu den Fühlern kleine, namengebende Hörnchen, die bei näherem Hinsehen in der schwarzen Kopfbehaarung zu erkennen sind. Männchen haben keine Hörnchen, dafür aber längere Fühler und tragen einen weißen Bart.
Mehrere Brutzellen hintereinander
Gehörnte Mauerbienen buddeln für ihre Brut entweder selbst kleine Tunnel in lose Erde oder nutzen vorhandene Röhren. Deshalb sind sie auch Stammgäste in Insektenhotels. In einer Röhre legen sie mehrere Brutzellen hintereinander an, die jeweils mit einer Mauer verschlossen werden. In jede Zelle kommen ein Ei und ein Pollenvorrat für die spätere Larve. Da bei uns im Garten heuer alle Obstbäume gleichzeitig blühen, was selten der Fall ist, gibt es Pollen im Überfluss. Um es Räubern so schwer wie möglich zu machen, bleibt die letzte Zelle leer, schließlich wird der Eingang mit einem Pfropfen aus Drüsensekret und Lehm verschlossen.
Unsere Mauerbienen flogen unablässig ihre ausgewählten Einzelröhren an. Den Eingang zu erwischen ist anscheinend gar nicht so einfach, wie wir beobachten konnten. Nach mehreren Anläufen fand aber schließlich jede Biene ihre mit Duftstoff markierte Röhre im Insektenhotel. In der Regel verharren sie kurz am Eingang und flutschen dann kopfüber hinein. Für die Eiablage schieben sie aber im Rückwärtsgang in die Röhre hinein. Faszinierend!
Fliege legt Kuckuckseier
Hat die Gehörnte Mauerbiene einmal mit einer Brutröhre begonnen, darf sie keine Zeit verplempern, weil parasitäre Insekten nur darauf warten, in die offenen Brutzellen Kuckuckseier zu legen. Tatsächlich tauchte im Luftraum unmittelbar vor dem Insektenhotel eine Mauerbienen-Taufliege (Cacoxenus indagator) auf. Sind die Larven der kleinen Fliege einmal in der Mauerbienen-Koje, fressen sie den Pollenvorrat auf, und die Larve der Mauerbiene verhungert. Später ebnen fertig entwickelte Bienen aus weiter innen gelegenen Zellen den Schmarotzern den Weg nach draußen. Allerdings haben Forscher herausgefunden, dass die Fliegen das auch aus eigener Kraft schaffen. Und zwar mit dem Kopf durch die Wand der Zelle. Dafür können sie sogar kurzfristig ihren Kopf vergrößern. Auf Englisch wird diese Taufliege auch Houdini-Fly benannt, weil sie sich wie der legendäre Entfesselungskünstler Harry Houdini selbst befreien kann.
Bei gekauften oder selbstgebastelten Insektenhotels sollte man immer darauf achten, dass die Röhren und Einfluglöcher schön glatt sind, damit die empfindlichen Flügel von Insekten, die rein- und rausschlüpfen, nicht beschädigt werden. Bambus- oder Schilfröhrchen, die splittern, sollten ersetzt werden. Wir legen ja auch Wert darauf, dass das Hotelzimmer geputzt und die Bettwäsche frisch ist. (Michael Simoner, 10.4.2024)