Friedrich Merz will die CDU wieder zur Kanzlerpartei machen und Olaf Scholz (SPD) spätestens im Jahr 2025 als Kanzler ablösen.
Friedrich Merz will die CDU wieder zur Kanzlerpartei machen und Olaf Scholz (SPD) spätestens im Jahr 2025 als Kanzler ablösen.
REUTERS/Lisi Niesner

"Einzigartiges Live-Entertainment" – das verspricht das große Kongresshotel Estrel im Osten Berlins normalerweise. Es singen Doubles von Tina Turner, Elvis oder den Beatles. Die Shows sind auch bei Touristinnen und Touristen sehr beliebt.

An diesem Montag aber steht ein Original auf der Bühne: Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU. "Einzigartiges Live-Entertainment" möchte jedoch auch er bieten, und zwar den 1001 Delegierten, die sich zu diesem Wahlparteitag versammelt haben. Immerhin: Jubel und Applaus wie bei den Stars erklingen schon, als der Chef die Bühne betritt. Der Beifall dauert ziemlich lange, und Merz freut sich sichtlich.

"Unser Blick geht nach vorne", sagt er dann und verweist auf das neue Grundsatzprogramm der Partei. "Mit diesem Programm sind wir sofort und spätestens im Herbst nächsten Jahres bereit, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen", betont Merz, und das kommt bei den Delegierten gut an. Ihnen gefällt auch, dass Merz weiter über die Ampel aus SPD, Grünen und FDP lästert. "Ich denke, wir sind uns einig: Vier Jahre Ampel sind genug. Jeder Tag früher, den dieses Schauspiel ein Ende findet, ist ein guter Tag für Deutschland."

Am späten Nachmittag wurde Merz mit 89,8 Prozent der Stimmen zum CDU-Vorsitzenden wiedergewählt. Bei seiner ersten Wahl Anfang 2022 hatte er 95,3 Prozent erhalten.

Video: Merz verurteilt Angriffe auf Politiker scharf.
AFP

Bewerbung für Kanzlerkandidatur

Drei Tage dauert jener Parteitag, der endgültig mit der Ära von Angela Merkel abschließen will. Zweieinhalb Jahre ist sie schon nicht mehr Kanzlerin, seit Jänner 2022 führt Merz die Partei an. Seither hat er den Frust der Christdemokraten über den Verlust des Kanzleramts im Herbst 2021 auf- und ein neues Parteiprogramm ausarbeiten lassen. Es soll am Dienstag beschlossen werden.

Am Montag aber steht zunächst Merz' große Rede im Mittelpunkt. Viele sehen sie als Bewerbungsrede für die Kanzlerkandidatur 2025. Offiziell entschieden haben Merz und CSU-Chef Markus Söder ja noch nichts. Das soll erst im Herbst passieren.

Söder wird von Merz sicherheitshalber gleich einmal verbal umarmt: "Ich bin sehr dankbar, dass wir wieder ein so gutes Miteinander zwischen CDU und CSU haben", betont der CDU-Chef. Das war ja nicht immer so. Der Streit zwischen Merkel und dem damaligen CSU-Chef Horst Seehofer war legendär und hat beide Parteien über Monate hinweg gelähmt.

Seitenhieb auf die Grünen

Merz spricht eine Stunde und 20 Minuten lang. Man merkt, dass viele Delegierte gelegentlich wegdämmern, etwa wenn Merz auf die Ängste vieler Menschen zu sprechen kommt und dann pathetisch wird: "Wir setzen dieser Angst und dieser Verzagtheit ein Zeichen der Zuversicht und des Mutes entgegen. Wir sagen den Menschen: Die Probleme unserer Zeit sind lösbar. Wir machen Politik für freiheitlich und verantwortungsbewusst denkende Menschen."

Über weite Strecken widmet sich Merz der Innenpolitik: Er will mehr Geld für die Bundeswehr, ein härteres Vorgehen gegen islamistische Extremisten, weniger Belastungen für die Land- und Forstwirtschaft sowie eine Sozialpolitik, die mehr vom Einzelnen fordert. Nichts davon ist neu, man hat das alles schon einmal gehört.

Natürlich geht es auch gegen die Grünen, aber da war Merz schon deutlich härter als auf diesem Parteitag. Er meint bloß, die Grünen würden regulieren, dirigieren und bevormunden. Und: "Deutschland ist in der Welt der klimapolitische Geisterfahrer." Die CDU aber werde "diese Geisterfahrt spätestens im nächsten Jahr beenden".

Gegen Ende wird es wieder lebhaft. Da knöpft sich Merz die AfD vor. "Es sind Parteien wie die AfD, die viele unserer Werte, aber auch unser Europa ablehnen, verspotten und von innen zerstören wollen", sagt er und verspricht: "Sie stoßen auf erbitterten Widerstand dieser Partei."

Die eigenen Leute bittet Merz, nicht die "Hände in den Schoß" zu legen. Denn es stehen ja wichtige Wahlen an. Zunächst findet am 9. Juni die EU-Wahl statt, im Herbst folgen die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Überall liegt die AfD in Umfragen auf Platz eins. "Wir nehmen den Kampf auf mit dieser Partei", sagt Merz, man werde "um Platz eins kämpfen".

Zwischenruf aus dem Norden

Da sind die Delegierten wieder ganz bei ihm. Neun Minuten Applaus spenden sie ihrem Vorsitzenden, erheben sich von den Sesseln und zeigen sich begeistert. Für diesen Moment ist vergessen, dass der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther kurz vor dem Parteitag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe einen nicht ganz so konservativen Kurs, wie er Merz vorschwebt, angemahnt hatte.

Seine Worte: "Viele, die unter Merkel CDU gewählt haben, erreichen wir im Moment nicht – aber sie sind nicht unerreichbar." Es gebe nämlich durchaus Wählerinnen und Wähler der Grünen, die wechselbereit seien. Günther hatte auch betont, dass die die Ampel einen miserablen Ruf habe, und dann konstatiert: "In einer solchen Lage müsste die Union eigentlich besser dastehen als im Moment." In Umfragen erreicht sie zwischen 29 und 32,5 Prozent. Vor der nächsten Bundestagswahl ist also noch Luft nach oben. Aber das erwähnt Merz in seiner Rede nicht. (Birgit Baumann aus Berlin, 6.5.2024)