"I want to believe" – "Ich will glauben": Das steht auf einem Plakat im Büro von FBI-Agent Mulder aus der Mysteryserie Akte X. Die Idee von außerirdischem Leben ist emotional aufgeladen wie kaum ein anderes wissenschaftliches Konzept, und mit dem James-Webb-Weltraumteleskop hat die Forschung das bisher vielversprechendste Instrument in der Hand, um in dieser Frage erstmals Klarheit zu schaffen. Webb liefert nicht nur wunderschöne Bilder aus dem All, sondern ist auch in der Lage, die chemische Zusammensetzung der Atmosphären von Planeten in anderen Sonnensystemen zu analysieren.
Dementsprechend groß ist das Interesse, wenn Webb neue Erkenntnisse zu Exoplaneten veröffentlicht, so auch im Herbst 2023 eine Untersuchung des Planeten K2-18b, dessen atmosphärische Zusammensetzung auf das Vorhandensein eines Ozeans hindeutet. Eine Information fand nur als Nebenbemerkung Aufnahme in die Aussendungen: Es hieß, die Daten zeigten schwache Hinweise auf die chemische Verbindung Dimethylsulfid. Dieses Molekül ließ Forschende und Interessierte aufhorchen, denn es ist in der irdischen Atmosphäre in großen Mengen vorhanden und sorgt für den typischen Duft des Meeres. Hier wird es allerdings von Mikroorganismen im Meer produziert.
Produkt von Meeresmikroben
Das Ergebnis war ein willkommener Anlass für Spekulationen, Webb könnte erstmals Spuren von außerirdischem Leben entdeckt haben. Anfang 2024 heizten die Zitate mehrerer der Weltraumforschung nahestehender Personen, die von einer wahrscheinlichen Entdeckung außerirdischen Lebens durch das Webb-Teleskop sprachen, solche Erwartungen zusätzlich an, wobei unklar war, worauf sich die Andeutungen bezogen.
Nun hat sich ein Team von der University of California im US-amerikanischen Riverside der Frage angenommen, ob es sich bei der Entdeckung von Webb tatsächlich um einen Hinweis auf außerirdisches Leben handeln könnte. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachjournal The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
Mechanismen auf K2-18b simuliert
Studienautor Shang-Min Tsai betont, dass die Erwartungen, Leben auf K2-18b zu finden, nicht unberechtigt sind. "Dieser Planet erhält annähernd dieselbe Menge an Sonnenlicht wie die Erde. Abgesehen von der Atmosphäre hat K2-18b außerdem eine Temperatur, die jener der Erde ähnelt, was auch eine ideale Situation ist, um dort Leben zu finden", sagt Tsai.
Die Atmosphäre des 120 Lichtjahre entfernten Planeten ähnelt jener der Erde nicht, auf K2-18b besteht sie aus Wasserstoff. Gemeinsam mit dem vermutlich existierenden Ozean aus Wasser macht das den Planeten zu einer "Hycean"-Welt, allerdings mit der Besonderheit, dass Methan und Kohlendioxid vorhanden sind, die beide auch mit biologischen Prozessen in Verbindung stehen können.
"Die Entdeckung von Dimethylsulfid war, in Bezug auf die Suche nach Leben, das Sahnehäubchen", sagt Tsai. Doch: "Das Signal des Webb-Teleskops war nicht sehr stark und zeigte sich bei der Analyse der Daten nur auf bestimmte Weise. Wir wollten wissen, ob wir dem, was wie ein Hinweis auf Dimethylsulfid aussah, auch wirklich vertrauen konnten."
Störendes Signal von Methan
Dazu simulierte das Team, welche physikalischen und chemischen Bedingungen auf K2-18b zu einer messbaren Konzentration von Dimethylsulfid führen könnten. Man betrachtete mithilfe verschiedener Modelle unter anderem die Frage, wie schnell es in der Atmosphäre wieder abgebaut werden könnte und welche Prozesse vor diesem Abbau schützen könnten. Auf der Erde hat Dimethylsulfid einen Einfluss auf die Wolkenbildung. Dieser Prozess könnte sich auch auf K2-18b vollziehen und so die chemische Verbindung schützen. Insgesamt kam man so zum Schluss, dass das von Webb aufgezeichnete Spektrum eher keine Spur von Dimethylsulfid zeigt.
Widerspricht die neue Studie also den bisherigen Ergebnissen? Nicht unbedingt. Die Gruppe aus Cambridge, die 2023 erstmals von möglichem Dimethylsulfid auf K2-18b berichtete, hütete sich damals, von einer "Entdeckung" zu sprechen. Wissenschaftlich signifikant war das Signal nämlich nicht. Die Unsicherheit lässt sich auf das Instrument zurückführen, das Webb für die Untersuchung verwendete, das Nahinfrarot-Spektrometer, kurz NIRSpec. "Das Signal überschneidet sich stark mit Methan, und wir glauben, dass die Unterscheidung von Dimethylsulfid und Methan die Möglichkeiten dieses Instruments übersteigt", sagt Tsai.
Geeignet wäre ein anderes Instrument, nämlich das MIRI des Webb-Teleskops. Es bildet einen Bereich des Lichtspektrums ab, in dem die Spuren von Dimethylsulfid weniger von Methan überlagert würden. Im Projektantrag der Gruppe aus Cambridge war von einer Untersuchung mit dem MIRI-Instrument noch die Rede gewesen, zwei Beobachtungsläufe mit dem Teleskop waren dafür vorgesehen. In der Studie von 2023 steht davon nichts. Im Jänner 2024 wurde das Webb-Teleskop erneut in Richtung des Planeten K2-18b ausgerichtet, die Ergebnisse stehen noch aus.
Nichts ist ausgeschlossen
Dass sich Dimethylsulfid in nachweisbaren Mengen auf Hydrocean-Planeten wie K2-18b anreichert, halten die Forschenden von der University of California für möglich. Dazu müssten Lebensformen zwanzigmal mehr davon produzieren, als derzeit auf der Erde vorhanden ist. In ihrer Studie halten die Forschenden diese Anforderung für "moderat".
Das Vorhandensein von Leben wäre damit noch nicht bewiesen. Dazu müsste erst ausgeschlossen werden, dass es auf geologischem Weg entstanden ist. Dennoch ist Dimethylsulfid ein Stoff, nach dem es sich zu suchen lohnt, betont das Team aus Kalifornien.
"Die besten Biosignaturen auf einem Exoplaneten können sich erheblich von denen unterscheiden, die wir heute auf der Erde am häufigsten finden", sagt Astrobiologe Eddie Schwieterman, einer der Studienautoren. "Auf einem Planeten mit einer wasserstoffreichen Atmosphäre ist es wahrscheinlicher, dass wir Dimethylsulfid finden, das von Lebewesen hergestellt wird, als Sauerstoff, der von Pflanzen und Bakterien wie auf der Erde produziert wird."
Auch wenn sich die Hoffnungen in Bezug auf K2-18b nicht erfüllen sollten, gibt es viele weitere vielversprechende Planeten, die lebensfreundliche Bedingungen bieten könnten. Mit Webb hat die Forschung größere Chancen als je zuvor, ihre Atmosphären nach verräterischen Signaturen von außerirdischen Mikroben zu durchsuchen. (Reinhard Kleindl, 7.5.2024)