Ludwig van Beethoven, künstlerisch vervielfältigt.
Ludwig van Beethoven, künstlerisch vervielfältigt.
REUTERS

Auch Europa-Hasser, Nationalisten und Demokratieverächter haben wohl ihre Lieder. Beethovens neunte Symphonie dürfte jedoch nicht mehr dazugehören. Jene Melodie, welche Beethoven im vierten Satz (mit Solostimmen und Chor) mit Friedrich Schillers Ode an die Freude zusammenführte, wurde zur EU-Hymne. Am Dienstag dürften Europa-Hasser also besonders leiden; man feiert der Symphonie 200. Geburtstag.

Die Wiener Philharmoniker starteten die Feier sogar schon am Samstag mit Riccardo Muti im Musikverein und einer so prunkvollen wie prägnanten Aufführung. Es war allerdings keine Nachstellung des überlangen Uraufführungskonzerts: Im Kärntnertortheater, bei der von Beethoven selbst veranstalteten Akademie, standen am 7. Mai 1824 neben der Neunten auch seine Ouvertüre Zur Weihe des Hauses und drei Ausschnitte seiner Missa solemnis auf dem Programm.

Freiheit und Brüderlichkeit

Das besagte Theater gibt es nicht mehr; die Uraufführungsbesetzung strahlt aber gleichsam bis ins Heute. Die Gesellschaft der Musikfreunde, Betreiberin des Musikvereins, hatte durch einige ihrer musizierenden Mitglieder damals "die Verstärkung des Chors und des Orchesters aus Gefälligkeit übernommen", wie es in Dokumenten heißt. Zudem waren bei diesem Plädoyer für Freiheit und Brüderlichkeit einige Musiker dabei, die später "Mitglieder unseres 1842 gegründeten Orchesters wurden", schildert Daniel Froschauer, Vorstand der Philharmoniker.

Dabei hätte das Werk gar nicht in Wien uraufgeführt werden sollen. Es war ein Auftrag der London Philharmonic Society, die tatsächlich einige Tage vor der Aufführung die Gage von 50 Pfund an Beethoven überwies. Einflussreiche Freunde hatten aber auf Beethoven eingewirkt, Wien den Vorzug zu geben, in London erklang die Symphonie dann am 21. März 1825.

Auch in Bayreuth

Nach einer gewissen Anlaufzeit wurde die Neunte ein gerne symbolisch eingesetzter und auch missbrauchter Welterfolg. Positiv: In Bayreuth, am Grünen Hügel, spielte man sie zur Grundsteinlegung des Festspielhauses 1872. 1936 wurde sie jedoch auch nach der Ratifizierung der "Stalin-Verfassung" gespielt. Legendär wiederum die Aufführung unter Leonard Bernstein 1989 in Berlin. Man feierte den Mauerfall und ersetzte im Text das Wort „Freude" optimistisch durch „Freiheit".

Eine wahrhaft europäische Version erklingt am Dienstag auf Arte. Die vier Sätze der Symphonie werden von verschiedenen Orchestern gespielt. Die Wiener Symphoniker geben das Finale, eröffnen wird das Gewandhausorchester Leipzig, gefolgt vom Orchestre de Paris und dem Orchester der Mailänder Scala.

Einige Blätter der Partitur

Wer sich über Beethovens beschwerliche Wege zum Werk informieren will, besuche auch im Beethovenhaus Baden die Ausstellung Der Weg der Neunten – von Baden in die Welt oder gehe ins Theatermuseum, um Blätter der Originalhandschrift der Neunten zu begutachten. Es ist eine Leihgabe. Die 397 Seiten des Autografen zu Beethovens Musikrede an die Menschheit befinden sich nämlich in der Staatsbibliothek zu Berlin. (Ljubiša Tošić, 7.5.2024)